Wenn die Bürgerinnen und Bürger in Ostwestfalen am 14. September ihre kommunalen Vertreterinnen und Vertreter wählen, entscheiden sie auch über die Zukunft des Wirtschaftsstandorts. Die Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) betont, dass viele Weichen für die wirtschaftliche Entwicklung direkt vor Ort gestellt werden. Anhand von sechs zentralen Themenfeldern zeigt die IHK auf, wie Kommunalpolitik die Rahmenbedingungen für Unternehmen und Beschäftigte aktiv gestalten kann. „Kommunen sind keine bloßen Verwaltungsstellen – sie sind die wirtschaftspolitischen Taktgeber unserer Region“, sagt IHK-Präsident Jörn Wahl-Schwentker. „Wer Ostwestfalen zukunftsfest machen will, muss lokal handeln – mit Weitblick, Pragmatismus und dem Mut zur Gestaltung.“
Ein zentrales Thema ist seiner Schilderung nach die Fachkräftesicherung. Dafür gelte es, Bildung, Betreuung und Integration zu stärken. Laut IHK-Fachkräftemonitor müssen bis 2035 rund 237.000 Stellen in der Region neu besetzt werden – davon 123.000 mit beruflich qualifizierten Fachkräften. Kommunen könnten hier entscheidend mitwirken: durch moderne Berufskollegs, strukturierte Berufsorientierung – insbesondere auch an Gymnasien – und gezielte Willkommensangebote für ausländische Fachkräfte. Auch eine verlässliche Kinderbetreuung sei ein wesentlicher Beitrag zur Fachkräftesicherung. „Bei all diesen Aspekten können Kommunen wichtige wirtschaftspolitische Impulse setzen“, betont IHK-Hauptgeschäftsführerin Petra Pigerl-Radtke.
Ein weiteres Handlungsfeld ist der Bürokratieabbau, so die IHK. Viele Unternehmer und Beschäftigte wendeten einen erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit für Verwaltungsaufgaben auf – in einigen Branchen seien es über 25 Prozent. Kommunen könnten hier entlasten: durch digitale Prozesse, zentrale Anlaufstellen und den Verzicht auf neue bürokratische Belastungen wie etwa eine kommunale Verpackungssteuer. „Wir brauchen Verwaltungen vor Ort, die mitdenken, nicht mitbremsen“, sagt Wahl-Schwentker. „Digitalisierung ist kein Selbstzweck – sie muss den Alltag von Unternehmen spürbar erleichtern.“
Auch Mobilität und Verkehrsinfrastruktur seien entscheidende Standortfaktoren. Ostwestfalen sei eine Pendlerregion: Fast jeder zweite Einwohner pendelt zur Arbeit – per Auto, Bus, Bahn, Fahrrad oder zu Fuß. Oft über Stadt- oder auch Kreisgrenzen hinweg. Allein in Bielefeld pendeln Erhebungen zufolge täglich 122.000 Berufstätige innerhalb der Stadt, mehr als 93.000 Menschen ein und über 53.000 aus. In Paderborn sind es mehr als 130.000 Berufspendler. Und auch in kleineren Orten gebe es tausende Pendelbewegungen und eine massive Verflechtung mit umliegenden Kommunen. Gleichzeitig sei die Infrastruktur unter Druck – das belegten Baustellen, Staus, Umleitungen und marode Brücken. Jede zehnte Brücke in der Region ist in schlechtem Zustand, in manchen Kreisen sogar jede fünfte, so die IHK – und der ÖPNV ist oft nicht ausreichend auf Pendelzeiten und ländliche Räume abgestimmt. „Kommunen müssen Infrastruktur nicht nur lokal, sondern regional denken. Mobilität entscheidet über Standortqualität – für Unternehmen, Pendler, Kunden, Lieferverkehre und Beschäftigte“, sagt Pigerl-Radtke. „Statt ideologischer Debatten braucht es pragmatische und funktionierende Konzepte, leistungsfähige Straßen, Wege und intakte Brücken sowie starke Verbindungen.“
Ein weiterer Aspekt sind nach Worten des IHK-Präsidenten Gewerbeflächen. „Wirtschaft braucht Raum für Wachstum – doch in vielen Kommunen fehlen nutzbare Gewerbeflächen. In Bielefeld etwa liegen die nutzbaren Reserven bei null Hektar. Der Regionalplan OWL weist bis 2040 rund 3.500 Hektar neue Flächen aus, doch konkrete Planung und Genehmigung stocken. „Wer keine Perspektive bietet, verliert Betriebe“, warnt Wahl-Schwentker. „Kommunen müssen aktiv Flächen entwickeln und Genehmigungen beschleunigen – auch im Schulterschluss mit Nachbarkommunen.“
Auch die Steuerpolitik spiele eine zentrale Rolle. Die Gewerbesteuerhebesätze in Ostwestfalen reichen von 355 Prozent in Verl bis zu 470 Prozent in Bielefeld – das bedeute für Unternehmen eine jährliche Differenz von rund 4.000 Euro pro 100.000 Euro Ertrag. Solche Unterschiede beeinflussten Investitionsentscheidungen und Standortverlagerungen. „Steuerpolitik darf kein Standortnachteil sein“, so Pigerl-Radtke. „Kommunen müssen ihre Hebesätze regelmäßig prüfen und wachstumsfreundlich sowie wettbewerbsfähig auch mit angrenzenden Regionen ausrichten. Zudem dürfen differenzierte Grundsteuerhebesätze die Wirtschaft nicht zusätzlich belasten.“
Ein weiterer wichtiger Standortfaktor für Investitionen, Innovationen und Beschäftigung ist nach Auffassung der IHK eine verlässliche und günstige Energieversorgung. Unternehmen in Ostwestfalen brauchten Tempo bei Genehmigungen, eine sichere Versorgung und zukunftsfeste Netze. Doch oft stocke es beim Ausbau von Photovoltaik, Windkraft oder Wärmenetzen – auch wegen fehlender Flächen, mangelnder Infrastruktur oder Vorgaben vor Ort. „Energiepolitik ist Zukunftspolitik. Wer Unternehmen am Standort halten will, braucht leistungsfähige Netze, pragmatische Genehmigungen – und einen realistischen Plan für die künftige Versorgung mit Strom, Wärme sowie Prozesswärme“, sagt Wahl-Schwentker.
„Die Zukunft Ostwestfalens wird auch wesentlich in den Rathäusern und damit vor Ort entschieden. Die Kommunalpolitik kann ihren Beitrag zu einem starken Standort mit einer starken Wirtschaft durch mutige, wirtschaftsfreundliche und pragmatische Entscheidungen leisten“, fasst Petra Pigerl-Radtke zusammen.
Die ausführlichen IHK-Wahlprüfsteine sind auch hier abrufbar.