In der Diskussion über die Umsetzung der Grundsteuerreform in den Kommunen vor Ort steht die Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) differenzierten Hebesätzen ablehnend gegenüber.
„Mit differenzierten Hebesätzen bei der Grundsteuer B, die nach Wohn- und Nichtwohngrundstücken unterscheiden, wird die eigentliche Intention des Bundesverfassungsgerichts ausgehebelt, das eine realistische Bewertung und Besteuerung der Grundstücke gefordert hat“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführerin Petra Pigerl-Radtke.
„Ziel der Novellierung der Grundsteuer war es, bestehende Ungerechtigkeiten in der Bewertung auszugleichen. Eine Splittung der Hebesätze würde dies nun zum Teil wieder konterkarieren. Außerdem sehen wir bei der Verwendung differenzierter Hebesätze Abgrenzungsprobleme bei gemischt genutzten Gebäuden. Hier wird dann wieder unnötig Bürokratie aufgebaut.“
Eine höhere Bewertung von Wohngrundstücken sei eine erwartbare Konsequenz der Grundsteuerreform. Bei gewerblich genutzten Grundstücken liege seit jeher eine realistischere Bewertung vor. In der Debatte um eine aufkommensneutrale Umsetzung und gerechte Lastenteilung sei auch nicht außer Acht zu lassen, dass die nach neuem Recht ermittelte Bewertung der Gewerbegrundstücke bei den Betrieben zu geringeren Kürzungen beim Gewerbeertrag und somit zu einer höheren Gewerbesteuerbelastung führen dürfte.
„Dies müsste der Fairness halber bei den Berechnungen zur Aufkommensneutralität berücksichtigt werden, sonst greift die Diskussion um Verteilungswirkungen zu kurz“, so Pigerl-Radtke.
Falls es in einzelnen Kommunen zu differenzierten Hebesätzen komme, wie es etwa in Herford oder Borgentreich von den Räten bereits beschlossen ist, drohe der Hebesatz für Gewerbeimmobilien zu einer neuen Sondersteuer für Unternehmen zu werden.
„Damit würde sich zudem der Standortwettbewerb und Ungleichheiten sowohl innerhalb Ostwestfalens als auch mit angrenzenden Regionen weiter zuspitzen“, warnt Pigerl-Radtke. „Dabei ist die Grundsteuer ein wichtiger Faktor im Standortwettbewerb für die Ansiedlung von Unternehmen, aber auch für den Zuzug von Fachkräften.“
Am Beispiel der Stadt Bielefeld verdeutlicht die IHK-Hauptgeschäftsführerin die Situation. Der aktuelle einheitliche Hebesatz liegt dort bei 660 Prozent. Der vom Land NRW für die Umsetzung der Reform berechnete aufkommensneutrale einheitliche Hebesatz beträgt 766 Prozent, dies entspricht einem Anstieg um 16 Prozent.
Falls differenzierte Hebesätze eingeführt werden, sei in Bielefeld für Nichtwohngebäude – also gewerblich genutzte Immobilien – mit einem Hebesatz von 1.122 Prozent zu rechnen – ein Anstieg zum aktuellen Wert von 70 Prozent und gegenüber dem vom Land für 2025 berechneten aufkommens-neutralen einheitlichen Hebesatz von 46,5 Prozent.
„Die ostwestfälische Wirtschaft erwartet bei der Reform der Grundsteuer, dass sie nicht durch zusätzlichen bürokratischen Aufwand und höhere Steuern belastet wird“, bekräftigt Pigerl-Radtke.