Die Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) kritisiert den von Bundesfinanzminister Olaf Scholz vorgelegten Kompromiss zur Neuordnung der Grundsteuer: „Das ist kein gutes Zwischenergebnis. Eine Orientierung an Bodenrichtwerten und Mietkosten führt zu hohen bürokratischen Belastungen bei den Unternehmen, aber auch bei der Finanzverwaltung. Alle Beteiligten sollten in den weiteren Verhandlungen die Praxistauglichkeit des Modells stärker berücksichtigen. Ein einfaches Modell, das sich nur an den Flächen von Grundstücken und Gebäuden orientiert, ist der bessere Weg, um die Vorgaben des Verfassungsgerichts umzusetzen“, sagt IHK-Geschäftsführer Heiko Gellmann.
Die Neuordnung ist notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht vergangenes Jahr festgestellt hat, dass die Ermittlung der Grundsteuer aufgrund der vorliegenden Einheitswerte aus den Jahren 1964 in den westlichen- und 1935 in den östlichen Bundesländern verfassungswidrig ist. Bis Ende 2019 muss eine neue Ermittlungsgrundlage geschaffen werden. Zur Diskussion standen ein wertunabhängiges Modell, das sich nur an der Fläche von Gebäuden und Grundstücken orientiert und ein wertabhängiges Modell. Dieses sieht vor, dass alle 36 Millionen Grundstücke und Gebäude individuell neu bewertet werden müssen. Dabei sollen die jeweilige Nettokaltmiete, die Wohnfläche, das Baujahr, die Grundstücksfläche und der Bodenrichtwert als Grundlage dienen.
Als Kompromiss einigten sich die Politiker auf ein abgespecktes wertabhängiges-Modell, das nur noch das Alter der Gebäude, den regionalen Bodenrichtwert und die durchschnittliche Nettokaltmiete berücksichtigt. Damit die Reform aufkommensneutral ist, hofft Bundesfinanzminister Scholz, dass die Kommunen ihre Hebesätze nach unten anpassen.
„Für Unternehmen werden die Bewertungen in vielen Fällen nur mit zusätzlichem Personaleinsatz und der Vergabe von Bewertungsgutachten umgesetzt werden können. Verschärfend kommt hinzu, dass nach den Plänen des Bundesfinanzministeriums für gewerbliche Immobilien mangels Miete überwiegend das komplexere Sachwertverfahren angewendet werden soll“, kritisiert Gellmann. Durch das Sachwertverfahren würden zum Teil umfangreiche Erhebungen von Gebäudedaten und zusätzliche Erklärungspflichten der Eigentümer erforderlich werden, die mit erheblichen Kosten für die Wirtschaft einhergingen.
Problematisch bei der Bewertung von Grundstücken sei zudem der Rückgriff auf Bodenrichtwerte. „Das aktuelle Verfahren zur Ermittlung der Bodenrichtwerte ist weder transparent noch rechtssicher, um als Grundlage für die Besteuerung zu dienen. Bisher wurden die Bodenrichtwerte nur statistisch erfasst und dienten bei Veräußerungen als Orientierungshilfe“, sagt Gellmann. Außerdem wird das Verfahren nicht bundeseinheitlich umgesetzt. Derzeit müssen beispielsweise die Protokolle der Sitzungen der Gutachterausschüsse nicht veröffentlicht werden und die zugrundeliegenden Daten – die Grundstücksverkäufe in räumlicher und zeitlicher Nähe – sind nicht einsehbar.
Darüber hinaus ist der Bodenrichtwert bisher nicht gerichtlich überprüfbar, was jedoch im Steuerrecht notwendig wäre. Es wären somit klare gesetzliche Regelungen erforderlich, die eine einheitliche Ermittlung der Bodenrichtwerte garantieren und es dem Steuerpflichtigen ermöglichen, den Bodenrichtwert für sein Grundstück gerichtlich überprüfen zu lassen.
Die Wirtschaft erwarte deshalb, dass in den zukünftigen Beratungen noch Verbesserungen erfolgen.
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