Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Konjunkturkrise – und auch in Ostwestfalen bleibt die Lage angespannt. Das zeigen nach den Daten aus der Industrie auch die Rückmeldungen aus Handel und Dienstleistung bei der Herbstkonjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK). „Lage und Erwartungen im Handel und in einigen Branchen der Dienstleistungswirtschaft bleiben, ähnlich wie in der Frühjahrsumfrage, angespannt“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführerin Petra Pigerl-Radtke heute (10. Oktober) bei der Vorstellung der Ergebnisse. „Der neuen Bundesregierung ist es bislang nicht gelungen, die versprochenen und so nötigen Wachstumsimpulse Realität werden zu lassen. Viele Unternehmen blicken sorgenvoll auf die kommenden Monate und stehen auf der Investitionsbremse. Noch immer wartet die Wirtschaft auf ein Aufbruchssignal. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, braucht es weniger Bürokratie, bessere Infrastruktur, mehr Tempo bei Planungen und Genehmigungen und eine Priorität für Wirtschaftspolitik – lokal wie national.“
An der IHK-Befragung hatten sich 1.311 Unternehmen aus den Bereichen Handel und Dienstleistung mit 50.554 Beschäftigten beteiligt. Der Gesamtklimaindex der ostwestfälischen Wirtschaft liegt aktuell – auch wegen der weiterhin schwachen Lage in der Industrie – wie bei der Frühjahrsumfrage bei 94 Punkten. Damit verharrt der Wert unterhalb der 100er-Linie, die für eine ausgeglichene Stimmung steht, bei der sich Optimisten und Pessimisten die Waage halten. Der Index im Handel, der im Frühjahr noch oberhalb der 100er-Linie verlief, ist deutlich gesunken – von 104 um 15 Punkte auf 89, der Klimaindex der Dienstleister ist von 101 um 7 Punkte auf 108 gestiegen.
Im Handel sprechen nur 15 Prozent der Unternehmen von einer aktuell guten Geschäftslage, 32 Prozent von einer schlechten. Auch für die kommenden zwölf Monate erwarten nur 13 Prozent eine Verbesserung, während 32 Prozent mit einer Verschlechterung rechnen. „Speziell im Großhandel drücken die schwachen Industrieimpulse und Auftragseingänge sowie hohe Kostenbelastungen auf die Margen. Zudem hinterlässt die Investitionszurückhaltung der Unternehmen deutliche Spuren. Im Einzelhandel kommt noch die Kaufzurückhaltung der Konsumenten hinzu“, resümiert IHK-Handelsausschussvorsitzender Rainer Döring.
Aktuell wirkten sich die enge Verzahnung und die Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Wirtschaftszweigen und Branchen für den Handel eher negativ aus. Darüber hinaus sei das konjunkturelle Umfeld geprägt von hoher Unsicherheit, schwacher Konsumdynamik und deutlichen Kostensteigerungen. „Mit einer kurzfristigen Belebung des Handels ist nicht zu rechnen. Mittel- und langfristig hängt einiges an einer nachhaltigen Erholung des privaten Konsums und der Steigerung der industriellen Nachfrage“, erläutert Döring die durch die Umfrage aufgezeigten Zukunftsaussichten.
„Die Dienstleister bewerten ihre gegenwärtige Situation überwiegend konstant und die Erwartungen an die nächsten 12 Monate befinden sich erstmals seit zwei Jahren wieder im positiven Bereich“, fasst Christoph Plass, Vorsitzender des IHK-Dienstleisterausschuss, die Umfrageergebnisse für diesen Sektor zusammen. 30 Prozent aller befragten Dienstleister beurteilen die aktuelle Geschäftslage als gut, 22 Prozent als schlecht. Für die kommenden zwölf Monate erwarten 22 Prozent eine Verbesserung und 18 Prozent eine Verschlechterung.
Allerdings sei die Entwicklung je nach Branche sehr gemischt: Teilbereiche wie die IT stufen ihre gegenwärtige Situation mehrheitlich positiv ein, andere wie etwa der Güterkraftverkehr eher negativ. Die Digitalisierung bleibe weiterhin der Treiber in den jeweiligen Branchen, steigende Personal-, Energie- und Betriebskosten drückten jedoch auf die Margen und bremsten Investitionen. Auch der Mangel an qualifizierten Mitarbeitenden sei in einigen Branchen ein limitierender Wachstumsfaktor. „In wirtschaftlich angespannten Zeiten neigen Konsumenten und Unternehmen zudem dazu, Dienstleistungen einzusparen, zum Beispiel im Gastgewerbe. Das wird auch in dieser Umfrage deutlich“, so der IHK-Dienstleistungsausschussvorsitzende.
Plass und Döring bemängeln übereinstimmend in Richtung Politik: „Es bleibt unverständlich, dass die neue Bundesregierung nach den deutlich vernehmbaren Ankündigungen bislang nicht die erhofften und dringend notwendigen Impulse gesetzt hat. Die Senkung der Stromsteuer für alle – also auch den Handel und die Dienstleister – wäre ein solches Signal gewesen.“ Entscheidend sei, dass Maßnahmen nun schnell und wirkungsvoll umgesetzt und spürbar in den Unternehmen ankommen. Zudem bedarf es dringend struktureller Reformen.
