Die Lage und die Stimmung in der ostwestfälischen Wirtschaft bleiben angespannt. Zwar zeigt die aktuelle Herbstkonjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) leichte Verbesserungen gegenüber dem Frühjahr – von einer nachhaltigen Erholung kann jedoch keine Rede sein. „Die Industrie tritt auf der Stelle. Wir brauchen endlich spürbare Impulse: weniger Bürokratie, verlässliche Rahmenbedingungen und Investitionen in Zukunftsprojekte“, forderte IHK-Vizepräsident Thilo Pahl bei der Vorstellung der Ergebnisse am Mittwoch (1. Oktober) in Bielefeld.
An der Umfrage beteiligten sich von Mitte August bis Mitte September 1.602 Unternehmen mit insgesamt rund 110.800 Beschäftigten aus Industrie, Handel und Dienstleistungen. Darunter waren 291 Industriebetriebe mit mehr als 60.000 Beschäftigten. Der IHK-Konjunkturklimaindex für die gesamte ostwestfälische Wirtschaft stagniert im Vergleich zur Frühjahrsumfrage bei 94 Punkten und bleibt damit weiterhin unter der neutralen 100er-Marke, bei der Optimisten und Pessimisten sich die Waage halten. Für die Industrie ist der Indexwert zwar leicht gestiegen von 85 auf 87 Punkte, bleibt damit aber auf niedrigem Niveau. Die Einschätzungen zur aktuellen Geschäftslage der ostwestfälischen Industrie haben sich gegenüber dem Frühjahr leicht verbessert: 15 Prozent der Industriebetriebe bewerten die aktuelle Geschäftslage nun als „gut“ (Frühjahr: 12 Prozent), während 36 Prozent nach zuvor 43 Prozent von einer „schlechten“ Lage sprechen. Angespannt bleibt auch die Ertragslage - nur 13 Prozent (Frühjahr: 15 Prozent) bewerten sie als „gut“, aber wie schon im Frühjahr 38 Prozent als „schlecht“.
Die Auslastung der Produktionskapazitäten hat sich in der ostwestfälischen Industrie gegenüber dem Frühjahr immerhin leicht verbessert. Der Anteil der Betriebe, die zu weniger als 80 Prozent ausgelastet sind, sank von 40 auf 29 Prozent. Gleichzeitig bleibt der Anteil der mit mehr als 95 Prozent nahezu voll ausgelasteten Unternehmen bei unverändert 12 Prozent weiterhin niedrig.
Für die kommenden zwölf Monate erwarten 73 Prozent der Industriebetriebe keine Veränderung ihrer Geschäftslage. Lediglich 12 Prozent rechnen mit einer Verbesserung, 15 Prozent mit einer Verschlechterung. Im Frühjahr gab es mit 23 Prozent noch mehr Optimisten als Pessimisten (19 Prozent). Bei den Umsätzen zeigt sich ein gemischtes Bild: Rund ein Drittel der Unternehmen erwartet steigende Gesamtumsätze, vor allem im Ausland. Im Inland überwiegen dagegen die pessimistischen Stimmen.
Die seit zwei Jahren andauernde Investitionszurückhaltung droht sich in den kommenden zwölf Monaten fortzusetzen: 38 Prozent der Unternehmen haben im Jahresverlauf weniger investiert als im Jahr zuvor. Und: „Knapp zwei Drittel in der Industrie planen, in den kommenden zwölf Monaten gleichbleibend zu investieren. Das ist auf dem niedrigen Niveau allerdings keine gute Botschaft“, bewertet IHK-Vizepräsident Pahl. Zudem rechnen 19 Prozent mit einem Rückgang bei den Investitionen und nur 15 Prozent wollen ihre Inlandsinvestitionen ausweiten.
Bei der Beschäftigungserwartung zeigt sich eine leichte Entspannung gegenüber dem Frühjahr, aber keine Trendwende. Die Zahl der Industriebetriebe, die steigende Beschäftigtenzahlen erwarten, ist von 10 Prozent im Frühjahr auf nun 17 Prozent gestiegen. 23 nach zuvor noch 34 Prozent gehen von einem Rückgang aus – die Mehrheit (60 Prozent) rechnet mit stabilen Beschäftigtenzahlen.
Als größte Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung nennen die Unternehmen die Inlandsnachfrage (76 Prozent), die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (61 nach fast 80 Prozent) und die Arbeitskosten (56 Prozent). „Der Wert für die Risikoeinschätzung zu den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ist zwar gesunken, wir hätten uns aber gewünscht, dass die neue Bundesregierung noch deutlich mehr Aufbruchstimmung entfacht. Die Bundesregierung muss jetzt handeln: Bürokratieabbau, schnellere Genehmigungen, keine Steuererhöhungen und erste Reformen in den Sozialsystemen sind entscheidend, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern“, betont Pahl.
Die amtliche Statistik für das Verarbeitende Gewerbe in Ostwestfalen zeigt für die ersten sieben Monate 2025 einen Umsatzrückgang um 1,8 Prozent auf 26,6 Milliarden Euro. Die Auslandsumsätze sanken um 3,2 Prozent – auch bedingt durch die Unsicherheiten rund um die US-Zollpolitik. Die Inlandsumsätze gaben um 0,8 Prozent nach. Die Exportquote liegt bei 40,6 Prozent.
Dem Bundestrend folgend ist die Zahl der Beschäftigten in der ostwestfälischen Industrie per Juli binnen eines Jahres um 4.450 auf 167.320 Personen gesunken – gegenüber dem Höchststand im August 2023 sogar um rund 7.250. „Dieser Beschäftigungsrückgang gerade in der Industrie mit ihren gut bezahlten Jobs ist ein deutliches Signal für die angespannte wirtschaftliche Lage. Das zeigt, wie dringend notwendig wirtschaftspolitische Weichenstellungen sind, um Beschäftigung und Wertschöpfung in Ostwestfalen zu sichern“, betont IHK-Hauptgeschäftsführerin Petra Pigerl-Radtke. Auch bei der industrienahen Branche „Sonstige Dienstleistungen“, die von Arbeitnehmerüberlassungen geprägt ist, zeigt sich in den vergangenen zwei Jahren ein starker Personalverlust um fast 5.500 Personen.
Die Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Ostwestfalen liegt aber zum Stichtag 31. Dezember 2024 leicht über dem Vorjahreswert. Dies sei vor allem auf Zuwächse in – von der allgemeinen Konjunkturlage eher unabhängigen – Branchen wie dem Gesundheitswesen und öffentlichen Dienst zurückzuführen. Gleichzeitig steigt die Teilzeitquote kontinuierlich – auf inzwischen 30 Prozent. Die Zahl der Vollzeitjobs lag zuletzt um 6.800 unter dem Höchststand aus dem Jahr 2022. Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten stieg demgegenüber um 7.300 Personen. Bei Kurzarbeit gab es nur geringe Zuwächse, auch wenn die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahreswert um 11 Prozent auf 254 Fälle gestiegen ist. In der Langzeitbetrachtung ist das Niveau damit aber nicht extrem hoch.
